Notiz am Rande: Von diesen und anderen Bergen

Eiger_Foto Rapp
Ich bewege mich immer öfter in den Bergen (siehe „Notiz am Rande: Veränderungen“). Und Berge bewegen mich. Diesmal auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Da ist die bildliche Ebene, auf der, wenn auf einmal viel zusammenkommt, man Berge vor sich hat, die unbezwingbar scheinen. Die einen den Schlaf rauben, viel Kraft kosten, aber auch neue Wege eröffnen und einen in der Aufgabe wachsen lassen.

Die vier Erstbesteiger, Heckmair (2.v.r.)
Dann gibt es die sehr schöne, naturgegebene Variante: Im Januar dieses Jahres bin ich ihnen zum ersten Mal begegnet, den imposanten Schweizer Gipfeln: dem Matterhorn, dem Mönch, der Jungfrau und dieser so berühmten Eiger Nordwand. Lange hat sie sich geziert, ständig verhüllt im Nebel und sich am letzten Nachmittag dann doch noch vollständig gezeigt. Jetzt besteige ich sie. Nein, nicht real. Klettern ist nicht mein Ding. Ich besteige sie lesend. Genauer gesagt: vorlesend. Mein Vater und ich begleiten Anderl Heckmair, Wiggerl Vörg, Fritz Kasparek und Heinrich Harrer gerade bei ihrer Erstbesteigung 1938. Noch sind wir lange nicht am Gipfel. Aber ich habe in der Autobiographie von Anderl Heckmair schon unglaublich viel gelernt und erfahren auf dem Weg bis zum heutigen Tag. Über den bis dahin unbezwingbar erscheinenden Berg, diese Wand und das Leben dieses Pioniers des Bergsports (1906 - 2005). Und auch über das Leben meines Vaters, lange bevor es meine Geschwister und mich gab.

Es ist das Einzige, was meinen Vater (links) jetzt in der letzten Phase seines Lebens, extrem geschwächt vom Krebs, wirklich noch zu interessieren scheint und ein wenig aufleben lässt. „Lesen wir wieder?“, fragt er, wenn ich komme und ich bin glücklich, dass ich diese Idee mit diesem Buch hatte. Selbst lesen kann er leider nicht mehr.

Er hat viele von den Bergsteigern, die in dem Buch vorkommen, noch persönlich gekannt. Erzählt, wenn er gute Momente hat und die Kraft dazu findet, was er wo mit wem von ihnen erlebt hat. Vor allem im Tiroler Kaisergebirge, wo sie früher immer hineingeradelt sind. Oder bei seinen zwei Matterhorn-Besteigungen 1950 und 1953. Dinge, die er sein langes Leben lang nie so groß erzählt hat, oder die mich vielleicht bisher auch nie so interessiert haben.

Wie gesagt, noch sind wir nicht am Gipfel der Eiger Nordwand angekommen und das Buch hat noch viele Seiten. Ich hoffe, es bleibt noch die Zeit, es zu Ende zu lesen. Und vielleicht auch noch für ein paar andere Bücher…Petra Rapp

Anderl Heckmair: „Eigernordwand, Grandes Jorasses und andere Abenteuer“, ISBN-13: 978-3905111385, AS Verlag, Zürich, € 26,80

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